aula an einer Schule einzuführen ist an sich schon ein zutiefst politischer, demokratischer Akt. Oft zeigen sich gerade am Ringen um die Grenzen der Beteiligung , die Umsetzungsform und die Rollenverteilungen interessante Fragen und Konflikte, deren Bearbeitung demokratische Kompetenzen der beteiligten Schülerinnen und Schüler schon steigert, bevor irgendeine Onlinebeteiligung stattgefunden hat.
Ein Beispiel dafür ergab sich jüngst am Rupert-Neudeck-Gymnasium Nottuln. Hier sind die Schülerinnen und Schüler in der ausnehmend guten Situation, dass sie einen regelmäßigen und etablierten Schülerhaushalt haben. Schon vor aula konnten sie also jährlich über ein Budget von mehreren Tausend Euro selbst verfügen und demokratisch entscheiden. Normalerweise ist es der Ansatz von aula, solche bereits etablierten Beteiligungsformen in das Konzept einzuarbeiten und mit ihnen zu interagieren. Hier wäre das besonders praktisch, weil der Schülerhaushalt in einer ähnlichen Form abgestimmt wird, wie Ideen per aula (Ideen werden gesammelt, dann veröffentlicht, diskutiert und schließlich abgestimmt). Der nächste Schülerhaushalt wird etwa im November durchgeführt.
Auch für aula haben die Schülerinnen und Schüler in Nottuln mit Hilfe der GLS Treuhand per gemeinschaftscrowd.de ein Budget von insgesamt 3878€ gesammelt, das durch das im Rahmen von aula demokratisch verteilt werden kann. Auch die Abstimmung darüber war etwa für November geplant.
Es läge nun nahe, beispielsweise beide Budgets zusammen zu legen und zusammen auszugeben, da sie demselben Prinzip und derselben Zielsetzung folgen. Allerdings ist das Gymnasium in Nottuln nicht nur die einzige der vier Projektschulen von aula, die bereits über einen Schülerhaushalt verfügt, sondern auch die einzige, in der aula nicht schulweit installiert ist, sondern nur in einzelnen Lerngruppen (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 7).
Nicht alle Lehrerinnen und Lehrer in Nottuln haben Zeit, mit ihren Lerngruppen an aula teilzunehmen, sodass aula als Modellversuch nur in Teilen eingeführt wurde. Das macht ein Zusammenlegen der Prozesse nicht demokratisch, denn nur ein Teil der Schule kann Ideen online per aula diskutieren.
Dieses Problem ist bei einem Treffen der Moderatorinnen und Moderatoren in Nottuln aufgekommen und wurde eifrig diskutiert. Der Prozess des Schülerhaushaltes muss in jedem Fall unberührt bleiben, da es ein etablierter, offener und demokratischer Prozess ist, an dem die ganze Schule teilnehmen kann. Wie aber mit dem aula-Budget verfahren?
Es zeitgleich abzustimmen würde bedeuten, dass die gleiche Idee in beiden Haushalten gewinnen könnte und dann doppelt finanziert wäre. Wie mit dem Geld verfahren, das dann überflüssig ist?
Ein Moderator schlug vor, das aula-Budget durch die sieben Lerngruppen zu teilen und jeder Lerngruppe 554€ zur Verfügung zu stellen. Die sollen in ihren Gruppenräumen bei aula darüber abstimmen, was sie damit machen wollen.
“Aber wie wird sich das auf das Schulklima auswirken?”, fragte ein anderer. Effektiv bedeutet das, dass die Lerngruppen, die mit aula arbeiten, dann mehr Geld haben, als alle anderen. Und das nur, weil ihre Lehrer und Lehrerinnen keine Zeit haben, aula mit ihnen einzuführen, weil sie vielleicht in anderen Feldern engagiert sind. Ist das nicht ungerecht? Sollten die aula-Gruppen das Geld nicht ebenfalls für Dinge ausgeben, die der ganzen Schule zugute kommen?
Die Diskussion dauerte insgesamt eine gute Stunde und wurde auf einem Niveau geführt, das auch einem Landtag gut zu Gesicht stünde. Demokratische Verantwortung und Minderheitenschutz wurden abgewogen, sowie der Umgang mit verschiedenen Töpfen, wie sie auch in realen Bedingungen in der Politik zu finden sind.
Die Moderatorinnen und Moderatoren haben folgendes Vorgehen vorgeschlagen:
Ideen werden jetzt schon in aula gesammelt. Dieser Prozess passiert parallel mit dem Schülerhaushalt. Von den Diskussionen über die einzelnen Ideen können beide Haushalte gemeinsam profitieren. Die Abstimmung in aula darüber, wie das aula-Budget zu verteilen ist, findet allerdings erst NACH dem Abschluss der Abstimmung des Schülerhaushalts statt. Auf diese Weise wird keine Idee doppelt finanziert und aula bietet noch einmal die Chance, auch Ideen umzusetzen, für die der Schülerhaushalt nicht mehr reicht.
Alle Ideen werden in den Schulraum eingestellt. Ob eine Lerngruppe dabei entscheidet, eine Idee einzustellen, dass sie etwas für 554€ für ihren eigenen Klassenraum macht, ist jeder Lerngruppe selbst überlassen. Es muss nur die entsprechende Mehrheit finden.
Ferner sollen auch die Lerngruppen, die nicht bei aula mitmachen, die Möglichkeit bekommen, noch mitzumachen. Falls ihre Lehrerinnen und Lehrer aus verschiedenen Gründen nicht mitmachen wollen oder können, soll niemand sich dazu gedrängt fühlen. Moderatorinnen und Moderatoren aus dem Leistungskurs Sozialwissenschaften bieten an, in einer großen Pause mit zusätzlichen Lerngruppen an aula zu arbeiten.
Bei der Lösung ging es darum, wie niemand benachteiligt wird, besonders nicht engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die keine Kapazitäten mehr für aula haben. Auch der Schülerhaushalt soll ungestört stattfinden, da er ein gutes Beispiel dafür ist, wie Schülerbeteiligung funktionieren kann. Gleichzeitig sollen die Schülerinnen und Schüler, die fast 4000€ Spenden für das aula-Projekt gesammelt haben, die Gelegenheit haben, dieses Geld in eine bessere Umgebung für sich und ihre MitschülerInnen zu investieren.
Die Debatte, die zur Zeit der Veröffentlichung dieses Artikels noch immer engagiert geführt wird, zeigt, dass die demokratische Kultur am Gymnasium Nottuln lebt und gedeiht. Und dass es nicht fertige, runde Konzepte sind, die politische Kompetenzen am besten ausbilden, sondern gerade unterschiedliche Herangehensweisen, kollidierende Interessen, aufeinander abzustimmende Systeme und zu überwindende Herausforderungen.
aula
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