Empfehlungen zu Demokratiebildung und was aula damit zu tun hat

Wir leben in einer Demokratie, aber was bedeutet das eigentlich für unseren Alltag? Die Staatsform hat nicht unbedingt viel mit der Organisation unseres Schul-, Familien- oder Arbeitslebens zu tun. Deshalb müssen Demokratiekompetenzen gezielt vermittelt werden – und zwar ganz besonders auch in der Schule. Am 13. September 2023 hat eine durch die Hertie-Stiftung einberufene hochrangige Kommission einen Bericht vorgestellt, der sich mit der Demokratiebildung von morgen beschäftigt. Wir freuen uns sehr, dass aula Teil der dazugehörigen Toolbox ist. Der Bericht enthält Forderungen an Politik und Schule, während die Toolbox konkrete Vorschläge für Konzepte zur Demokratiebildung sammelt.

Die Expert*innen haben sich eineinhalb Jahre lang mit dem Thema „Demokratie und Bildung“ beschäftigt. Die Kommission wurde unter anderem unterstützt vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und dem ifo Institut. Die beteiligten Expert*innen sind:  

 

Dr. Ingrid Hamm (Leiterin der Kommission, geschäftsführende Gesellschafterin der Global Perspectives Initiative) 

Anna Engelke (Journalistin) 

Maja Finke (Abiturientin des Jahrgangs 2022, ehem. Mitglied des Jugendbeirats der Hertie-Stiftung) 

Diana Kinnert (Publizistin, Unternehmerin, Beraterin) 

Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung) 

Mirko Meyerding (Schulleiter der Gesamtschule Ebsdorfer Grund) 

Prof. Dr. Armin Nassehi (Lehrstuhl für Soziologie an der LMU) 

Prof. Dr. Andreas Schleicher (Direktor des Direktorats für Bildung der OECD, verantwortlich für die PISA-Studie) 

Linda Teuteberg (Bundestagsabgeordnete) 

Prof. Dr. Ludger Wössmann (Leiter des ifo Zentrum für Bildungsökonomik und Professor für VWL an der LMU) 

Weitere Infos zu Arbeit der Kommission

Die Mitglieder der Kommission verbindet die „Überzeugung, dass die heranwachsenden Generationen die bestmögliche Unterstützung brauchen, um die Herausforderungen der kommenden Jahre von internationalen Sicherheitsfragen bis zum Ressourcenverbrauch gut zu bewältigen“ (Bericht „Mehr und besser“ S. 4). Dahinter steht das Wissen, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass herausfordernde Fragen zukünftig weiterhin in demokratischen Prozessen ausgehandelt werden. Es entsteht also ein dringender Handlungsbedarf für Demokratiebildung – und zwar möglichst früh.

Die Kommission hat sich insbesondere mit der schulischen Demokratiebildung beschäftigt, weil hier alle jungen Menschen erreicht werden können. Schule hat das Potenzial, ein idealer Lernort für demokratische Prozesse zu sein.

Gelerntes Wissen ist nicht gelebtes Wissen

Politische Bildung findet in der Schule formal statt – wenn auch mit ungleicher Verteilung von Wochenstunden zwischen den Bundesländern und Schulformen. Was jedoch an vielen Schulen fehlt, ist eine lebendige Umsetzung demokratischer Prozesse. Eine Lernumgebung, die über die Theorie von formaler politischer Bildung hinausgeht.

„Eine demokratische Ordnung ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss von Menschen getragen werden, die ihre Grundwerte kennen und schätzen und demokratische Praxis eingeübt haben. Weil es keine Demokratie ohne Demokraten und Demokratinnen geben kann und weil Menschen nicht als solche auf die Welt kommen, ist Demokratie eine Bildungsaufgabe – in den Familien und in den Schulen.“ (Bericht „Mehr und besser“ S. 5)

Die Kommission hat strukturelle Defizite und Verbesserungsmöglichkeiten der Demokratiebildung herausgearbeitet und erleichtert gleichzeitig den Zugang zu konkreten Anwendungsmöglichkeiten. Dafür wurde eine Toolbox entwickelt, die als eine Art Sammlung erprobter Demokratiepraxis für Schulen zu verstehen ist. Wir freuen uns sehr, dass aula in der Kategorie „Partizipation und Selbstwirksamkeit“ empfohlen wird. Die Toolbox soll stetig überarbeitet und erweitert werden.

Forderungen der Kommission

Im Bericht werden Forderungen formuliert, die sich vor allem an politische Entscheider*innen richten.

Dabei geht es um die Umsetzung von Demokratiebildung in Schulen, für die eine „konzertierte Aktion ‚Demokratiebildung‘“ (Mehr und besser, S. 50) gefordert wird – gemeinsam umgesetzt von Verantwortlichen der Bundesregierung und der Bundesländer. Die Bildungsarbeit soll schon früh beginnen, denkbar seien Umsetzungen in der Primarstufe und sogar früher. Dabei braucht es verbindliche Standards, die nicht optional umgesetzt werden können, sondern die durch eine Art Demokratie-Pisa gemessen werden können. Als Anregung für Beteiligungen und Projektumsetzungen werden Anreize von staatlicher Seite wie die Einführung von Demokratiebudgets empfohlen, über die die Schulgemeinschaft gemeinsam entscheidet. Um die Herausforderungen der Demokratiebildung erfolgreich zu meistern, fordert die Kommission mehr Autonomie für Schulleitungen und Lehrkräfte für mehr Gestaltungsfreiheit im Schulalltag. Ganz konkret könne das durch den Einsatz von Demokratiescouts an Schulen unterstützt werden, die sich um die Koordination der Demokratiebildungsangebote kümmern. Das Vertrauen in politische Prozesse und das politische Personal, so die Kommission, sollte durch alltäglichere Besuche von Politiker*innen in Schulen gestärkt werden. Zu guter Letzt fordert die Kommission, dass positive Vorbilder im Feld der Demokratiebildung sichtbar gefeiert werden und dass eine nationale Plattform eingerichtet wird, die evidenzgeprüfte Konzepte sammelt. In Großbritannien gibt es eine solche Plattform schon heute.

Am Tag der Veröffentlichung wurde der Bericht nicht nur im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt, sondern auch dem Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt übergeben.

Und jetzt?

Wir von aula unterstützen, dass sich die Kommission mit ihren Partnerorganisationen und der Hertie-Stiftung dafür einsetzt, dass Demokratiebildung ganz oben auf der Agenda der Verantwortlichen steht. Dabei möchten wir aber auch betonen, was unserer Meinung nach nicht immer ganz klar wird im Bericht: Demokratiebildung muss finanziell nachhaltig gesichert werden und Demokratiebildung muss für alle möglich sein. Entsprechende Förderungen müssen ausgeweitet werden, der Zugang für Schulen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen muss erleichtert werden.

So können wir sicherstellen, dass nicht nur diejenigen Schulen, die über Töpfe aus Fördervereinen und Co. verfügen, eine qualitativ hochwertige Demokratiebildung integrieren. Alle Schüler*innen sollen die Möglichkeit haben, ihre Selbstwirksamkeit zu steigern und von einer demokratischen Schulkultur zu lernen.