Ein Kommentar von Emilia Vonhoff

Schule und ihre Auswirkungen auf die mentale Gesundheit

Im Durchschnitt beginnt die Schullaufbahn für viele Kinder im sechsten Lebensjahr – dennoch ist die Schule ein Raum, der im Umgang mit mentaler Gesundheit noch nicht ausreichend sensibilisiert ist. Gerade weil 75% aller psychischen Krankheiten bereits vor dem 24. Lebensjahr, also zum Großteil während der Schulzeit, entstehen. Woran genau mangelt es also? Und wieso sind überhaupt so viele Schüler*innen krank?

Schwere Last in schwierigen Zeiten

Gedrückte Stimmung unter Schüler*innen ist keine Neuheit. Und doch lässt sich beobachten, dass die Schüler*innen von heute es möglicherweise besonders schwer haben und junge Menschen verunsichern: Die weltweite Corona-Pandemie, Krieg(e) in der Welt und Europa und die Sorge um die Folge der Klimakrise. Das aktuelle Leben, sowie die nahe Zukunft scheint in Gefahr. Das würde mich nicht nur verunsichern, sondern auch klein und unbedeutend fühlen lassen und ich mich fragen: „Wieso sitze ich jetzt in der Schule und lerne, wie man den Nullpunkt einer Parabel berechnet, während unzählige Menschen (und unsere Erde) sterben?“.

Diese Umstände wirken bedrohlich und gehen nicht spurlos an Kindern vorbei – sie werden Ohnmächtig im Bezug auf ihre äußeren Umstände.

Wie ernst ist die Situation?

Die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen war auch schon vor der Corona Pandemie gefährdet. Im Zeitraum 2014-2017 weisen bereits 16,9% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland psychische Auffälligkeiten auf. Außerdem besagt eine Studie der KKH, dass die Zahl der 13- bis 18-Jährigen, die an einer Depression erkranken, zwischen 2007 und 2017 um 120 Prozent gestiegen ist. Auch die Nachfrage zum Erhalten einer Psychotherapie ist demnach gewachsen, so beanspruchen im Jahr 2019 823.000 Kinder und Jugendliche psychotherapeutische Hilfe. Das ist mehr als doppelt so viel wie zehn Jahre zuvor. Doch auch hier gibt es einen Graubereich, denn es gibt noch immer Schüler*innen, die sich nicht trauen, nach Hilfe zu fragen. Scham, schwäche oder die Sorge, als „verweichlicht“ wahrgenommen zu werden können Gründe dafür sein.

Unser Ziel sollte es sein Kindern und Jugendlichen sichtbar zu machen, dass psychische Probleme keine Einzelfälle sind, sie damit also nicht allein ist und es Hilfsangebote gibt. Die Gründe für diese Auffälligkeiten sind vielfältig und können sowohl in der Schule als auch zu Hause ihren Ursprung haben. Schulstress und Leistungsdruck spielen dabei aber eine besonders große Rolle, weil Schüler*innen meist, auch wenn sie nach der Schule nach Hause kommen, gar nicht so einfach davon loslassen können. Ein weiterer Grund ist leider Mobbing, vor allem innerhalb der Schule aber auch in Form von Cyber-Mobbing. Laut der Pisa-Studie 2022 sind 7% aller 15-Jährigen in Deutschland von häufigem Mobbing betroffen. Noch schlimmer wird es dann, wenn man wenige oder gar keine Freunde in der Schule hat, oder man sich mit diesen auch noch streitet. Leider hat auch nicht jedes Kind ein gutes Verhältnis zu seiner Familie, wodurch eine wichtige Stütze gegebenenfalls wegfällt. In der Oberschule spielt die Pubertät eine große Rolle für viele Schüler*innen und ist ein häufiger Auslöser für Stimmungsschwankungen, welche wiederum ein ausschlaggebender Faktor für die mentale Gesundheit sind. Außerdem können traumatische Erlebnisse aus der Kindheit, wie z.B. die Trennung der Eltern dazu beitragen, dass sich die mentale Gesundheit der Schüler*innen verschlechtert.

Die Auffälligkeiten können also viele verschiedene Gründe haben. Aber was kann man tun, damit Schüler*innen nicht psychisch krank werden, sondern gesund und selbstsicher in der Schule aufwachsen?

Bereits viel erreicht – doch noch Luft nach oben:

Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Schultage nach den Ferien. Die Motivation hielt sich oft Grenzen und die meisten meiner Mitschüler*innen waren noch im Urlaubsmodus. Die Lehrkraft fragt, wie es uns geht, wie die Ferien waren. Ich glaube, an diesem Punkt gäbe es eine großartige Möglichkeit wirklich herauszufinden, was in den Schüler*innen vor sich geht. Gerade nach den Ferien fällt der Einstieg in den Lernstoff oft schwer und die Lehrer*innen könnten hier gezielt danach fragen: „Womit habt ihr Schwierigkeiten?“, „Was beschäftigt euch gerade“ oder ganz direkt „Fällt es euch schwer aus den Ferien wieder in die Schule zu kommen?“.

Es braucht an Schulen mehr personelle Ressourcen, die für solche Themen sensibilisiert sind. Das sind Lehrer*innen nämlich leider oft (noch) nicht. Es hätte jedoch einen Mehrwert für alle, wenn das vorhandene Personal weiß wie es die Resilienz und mentale Gesundheit der Schüler*innen fördern und nicht weiter überfordert. Einzelne Akteur*innen aus dem NGO Sektor bieten z.B. passende Work-Shops an, die sich gezielt an Lehrkräfte richten, beispielsweise der Verein Kopfsachen

*Kopfsachen: Der Verein **Kopfsachen e.V.** widmet sich der Förderung der mentalen Gesundheit junger Menschen und unterstützt sowohl Schüler*innen als auch Lehrkräfte. In Bezug auf die **Fortbildung von Lehrkräften** bietet der Verein speziell konzipierte Workshops an, die Lehrkräfte dabei unterstützen, psychische Gesundheit im Schulalltag gezielt zu fördern. Diese Workshops helfen dabei, das Verständnis für psychische Belastungen bei Schüler*innen zu vertiefen und praxisnahe Strategien zu entwickeln, um ihre Resilienz und mentale Gesundheit zu stärken.

Das Schulfach Glück

Ein interessanter Ansatz ist auch das Schulfach „Glück“, welches mittlerweile an über 400 Schulen in Deutschland unterrichtet wird. Das Ziel davon ist, den Schüler*innen beizubringen, wie man glücklicher und zuversichtlicher durchs Leben geht. Dabei lernen sie unter Anderem, ihre eigenen Emotionen und Bedürfnisse zu erkennen und zu benennen. Außerdem lernen sie Selbstfürsorge und Wertschätzung, sowie nicht zu lange an negativen Ereignissen festzuhalten. Wir sehen hier eine große Chance, da die Schule ein toller Ort ist, um mehr über Gefühle zu sprechen und das Thema so auch langfristig zu normalisieren, sodass es das Fach vielleicht eines Tages gar nicht mehr braucht. Das Fach kann außerdem auch die Beziehung zu den Lehrer*innen und die Klassengemeinschaft stärken. Gleichzeitig sollte es durch ein weiteres Schulfach nicht zur weiteren Belastung von Schüler*innen kommen, sondern zuvor an der Schul-Organisation und strukturell gearbeitet werden.

Wie kann das Beteiligungskonzept aula unterstützen?

Mit aula lernen Schüler*innen sich einzubringen und ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und wie es ihnen mit den aktuellen Umständen ihrer Umgebung geht. Das sind Kompetenzen, die die Schüler*innen ihr Leben lang brauchen. Außerdem trägt aula zur Selbstwirksamkeit bei, die wiederum das Selbstbewusstsein stärkt und Resilienz aufbaut. Sie werden Gestalter*innen ihrer Umgebung und können so etwas aktiv gegen die gefühlte Ohnmacht tun.

Sollten sich Schüler*innen für die Mentale Gesundheit interessieren und Abstimmungen dazu einreichen, könnten z.B. über die Einführung eines mental-health-day oder die Einführung des Schulfach Glück diskutiert werden. Hier wäre eine sensible Schulleitung bzw. Projektgruppe eine gute Stütze, die den sicheren Raum schaffen kann, dass Ideen zur mentalen Gesundheit überhaupt Wertungsfrei eingereicht werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, tatsächlich treten in der Schule besonders viele Angststörungen auf. Dies lässt sich unter anderem auf den starken Leistungsdruck und auch das strikte Auswendig-Lernen von Stoff zurückzuführen. Aber auch die viele sozialen Situationen, die tagtäglich in der Schule stattfinden, können für manche Schüler*innen Angstzustände auslösen. Dazu gehören vor allem das Vorlesen oder das Präsentieren vor der Klasse. Beim Erkennen dieser Vielzahl von Auffälligkeiten sehe ich die Verantwortung nicht allein bei den Lehrkräften, da diese nicht primär für psychologische Unterstützung ausgebildet wurden. Es bedarf vielmehr einer verstärkten Bereitstellung schulpsychologischer Beratungsstellen und vergleichbarer Ressourcen. Die Lehrer*innen haben aber durchaus einen großen Einfluss auf die mentale Gesundheit der Schüler*innen, da sie viel Zeit miteinander in der Schule verbringen und es durch den Leistungsdruck auch schnell emotional werden kann. Umso wichtiger ist eine pädagogische und sensibilisierte Ausbildung der Lehrkräfte und die Unterstützung durch Schulpsycholog*innen oder Sozialarbeiter*innen, welche leider oft noch nicht im benötigenden Ausmaß stattfindet. Das sollte sich dringend Ändern!

Quellen:
Emilia Vonhoff