"Nur wenn jemand zuhört, kann man sich öffnen"

Ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, in der ich mich nicht zwingen musste, zur Schule zu gehen. Sei es nach den Ferien, nach einem schönen Wochenende oder einfach nach einem ganz normalen Tag. Sobald ich realisierte, dass ich am nächsten Tag wieder an diesen schrecklichen Ort zurück muss, war meine Stimmung im Keller. Und das ist so schade, weil die Schule eigentlich so viel Potenzial bietet, zu lernen. Über sich selbst, über andere und natürlich über die Welt. Leider läuft das jedoch nicht immer so ab. Aber was war denn so schrecklich an meiner Schulzeit? Und was könnte man ändern, damit es Schüler*innen in Zukunft nicht so ergeht? 

Ich wurde damals mit fünf Jahren eingeschult. Für mich war das aufregend, es war schließlich der Anfang eines neuen Lebensabschnitts und ich blickte neugierig in die Zukunft. Als man mir aber sagte, ich würde nun für die nächsten 12 Jahre zur Schule gehen, verfiel ich sofort in Panik. Ich wollte das nicht. Vielleicht war ich auch tatsächlich noch zu jung, um eingeschult zu werden. Nach einiger Zeit habe ich mich aber daran gewöhnt, jeden Tag zur Schule zu gehen. Ich bin zwar nicht gerne dorthin gegangen, aber ich war mir sicher, ich würde sehr viel lernen, zahlreiche Freunde finden und mich schlussendlich auch für einen Beruf entscheiden können. Leider sah die Realität eher anders aus. Ja, ich habe eine Menge gelernt. Aber was habe ich gelernt? Viel Stoff, den ich vermutlich nie wieder brauchen werde. An dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, dass wir mit eingebunden werden, dabei den Unterricht mitzugestalten und mehr von dem zu lernen, was uns interessiert und was wir ganz praktisch im Leben brauchen.  Wie man eine Steuererklärung macht, zum Beispiel. Auch wenn es sicher wichtig ist, grundlegende Kenntnisse in Deutsch oder Mathe nach einem bestimmten Lehrplan zu unterrichten, hätten ein bisschen Freiraum und ein paar Möglichkeiten zum Mitentscheiden bereits geholfen. Ausgerechnet im Deutschunterricht hatte ich zum Beispiel das Gefühl, dass ich das, was ich gerade lerne, nie wieder brauchen werde. Das ist alles Zeit, in der man auch etwas Nützliches lernen könnte.  

 

Zwischen Druck und Zwang 

Auch das Entscheiden für einen Beruf fiel (und fällt mir immer noch) nicht leicht. Bei mir gab es zwar in der weiterführenden Schule mehrere Stunden zur Berufsberatung, diese verursachten aber leider mehr Druck als Entschlossenheit. Dass man in der Schule noch nicht unbedingt wissen muss, was man später mal machen möchte, ist mir völlig klar. In der Schule hätte man jedoch die Möglichkeit herauszufinden, was einen interessiert und sich dementsprechend fördern zu lassen. Das ist aber schwierig, wenn dir Themen, sogar ganze Fächer, aufgezwungen werden. Ob dich das interessiert, ist egal. Du musst es lernen. Und als wäre das nicht schon genug, wirst du dafür auch noch benotet. Dir wird ein Thema aufgezwungen und wenn du das dann nicht gut genug beherrschst, wirst du bestraft.  

Ebenso wirst du bestraft, wenn du still bist. Ich kann die Benotung der mündlichen Mitarbeit zwar nachvollziehen, finde sie jedoch fraglich. Nicht zuletzt, weil ich selbst eine stille Schülerin war. Aber wenn die mündliche Beteiligung schon benotet wird, wieso werden dann immer noch Schüler*innen aufgerufen, die sich nicht melden? Selbst wenn die Person die Antwort weiß, man sollte niemanden zwingen etwas zum Unterricht beizutragen. Auch ich wurde oft unaufgefordert aufgerufen. Danach war es dann erstmal still, da ich die Antwort – Überraschung – dann meistens nicht wusste. Ich habe diese Stille immer als sehr unangenehm empfunden, da meine Lehrerin so lange schweigend wartete, bis ich etwas gesagt habe. Also habe ich irgendwann angefangen: „Ich weiß es nicht“, zu antworten. Meine Lehrerin brachte sowohl verbal als auch mimisch zum Ausdruck, dass es frech wäre, das zu antworten. Ich fühlte mich unwohl, unter Druck gesetzt und gezwungen. Dieser Umgang führte dazu, dass ich mich irgendwann aktiv zwingen musste jeden Tag zur Schule zu gehen. Und das schon in der Grundschule. 

 

Wie sich Schule auf die mentale Gesundheit auswirkt 

Es war auch nicht alles schrecklich in der Schule. Es war schön, meine Freunde jeden Tag sehen zu können. Aber nicht jeder hat Freunde. Und nicht jeder wird von seiner Familie unterstützt. Wenn man also weder Freunde noch Unterstützung seiner Familie hat und dann auch noch unter massivem Leistungsdruck leidet, wird man höchstwahrscheinlich unglücklich. Depressionen kommen unter Jugendlichen immer öfter vor und darüber muss gesprochen werden. Am besten dort, wo sie leider oft entstehen. Ein sensibler Umgang mit dem Thema könnte schon helfen und vielleicht sogar ein Gefühl von Gemeinschaft und Zusammenhalt erzeugen.  

Die Schule wäre auch ein guter Ort, um zu lernen, wie wichtig es ist, sich gut um sich selbst zu kümmern. Genügend zu essen, zu trinken und sich auch mal was zu gönnen. Das bringt einem leider niemand bei und das ist schade. Im Gegenteil, es kommt oft genug vor, dass Lehrer*innen sich im Ton vergreifen, manchmal sogar schreien, und kaum Respekt vor den Schüler*innen haben. Bei mir kam das sogar hauptsächlich in der Grundschule vor. In der vierten Klasse mussten wir ein Gedicht lesen und ich war mir nicht sicher in welcher Reihenfolge die Strophen zu lesen sind. Also habe ich meinen Mut zusammengenommen, bin nach vorne zu meiner Lehrerin gegangen und habe sie gefragt. Daraufhin antwortete sie zynisch, dass das doch klar sei und wie ich es denn auf ein Gymnasium schaffen möchte, wenn ich das nicht weiß. In den meisten Fällen passiert dem Lehrer dann nichts. Entweder, weil keiner sich traut etwas zu sagen oder, weil die Schule einfach nichts dagegen unternimmt. Die Schüler*innen hingegen, sind im schlimmsten Fall für ihr Leben geprägt und haben Probleme mit Autoritätspersonen. All das ergibt ein Konstrukt von Erwartungen, in dem man sich gar nicht wohlfühlen kann. Und das ist so unglaublich schade, denn Schule könnte so viel mehr sein. 

 

Was ich mir für die Zukunft wünsche 

Als ich noch zur Schule ging, musste ich mir von allen Seiten anhören, dass ich die Zeit in der Schule genießen soll. Ich würde sie später vermissen. Vielleicht vermisse ich die Freizeit, ja. Dadurch, dass ich nach jedem Schultag erleichtert war, wieder zu Hause zu sein, waren mir die freien Nachmittage früher sehr viel wert. Aber abgesehen davon, vermisse ich nichts. Jetzt, wo ich nicht mehr zur Schule gehe, kann ich selbst entscheiden, womit ich meine Zeit verbringen und was ich lernen möchte. Aber wieso kann man das nicht schon in der Schule? Als Schülerin war mir die Möglichkeit und Notwendigkeit dessen überhaupt nicht bewusst. Was absurd ist, wenn man bedenkt, dass Schüler*innen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule verbringen, dazu kommen noch Hausaufgaben und ähnliches. Natürlich sollten sie dort mitbestimmen dürfen. Hätte ich in meiner Schule mehr Beteiligungsmöglichkeiten wie z.B. aula gehabt, wäre es mir bestimmt besser gegangen. Natürlich hätte sich nicht alles verändert, vor allem nicht sofort. Aber ich hätte mich gesehen und gehört gefühlt. Gerade ich als stille Schülerin hätte mit aula die Chance gehabt, mich digital mit einzubringen und meine Meinung zum Ausdruck bringen zu können.  

Wir leben in einer Zeit, in der eigentlich schon viel über mentale Gesundheit gesprochen wird. Wieso also nicht in der Schule? Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Schüler*innen ernst genommen werden. Vor allem, dass ihre Gefühle und Wünsche ernst genommen werden. Denn nur wenn jemand zuhört, kann man sich öffnen. Und dann wird sich hoffentlich etwas ändern. 

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aula zu meiner Schulzeit? - Ein Erfahrungsbericht

Wenn ich an meine Schulzeit denke, dann denke ich an vieles: An quälend lange Stunden im Matheunterricht, an Leistungsdruck, an Depressionen, an Mobbing und vor allem an den Uniformitätsdruck samt den starren Strukturen, die mir innerhalb der Schulmauern nicht nur das Gefühl gegeben haben, nicht ich selbst sein zu können, sondern auch, dass genau das im Grunde unerwünscht ist. Selbstwirksamkeit, Partizipation und demokratische Bildung waren für mich theoretische Überbleibsel aus dem Politikunterricht. Aber warum eigentlich? Und hätte das auch anders sein können?  

Wagen wir also einen kurzen Rückblick: Wir schreiben das Jahr 2009, mein siebtes Schuljahr beginnt und ich stehe mit meinen Freundinnen vor dem Eingang der Schule. Dabei sticht eines sofort ins Auge. Der vormals noch graue Betonklotz erstrahlt in neuen Farben. Genauer gesagt in fadem Gelb. Was sicherlich eher als beige angedacht war, erinnerte aber auch auf den zweiten Blick mehr an eine Urinprobe beim Arzt. Hätte der Schulanstrich für 1.4 Millionen Euro damals eine Note von der Schülerschaft bekommen, wäre er vermutlich durchgefallen. Denn auch wenn vorher nie über die Außenfassade diskutiert wurde, obwohl das triste Grau keineswegs eine Augenweide war, wurde nach dem Anstrich darüber geredet.  

Ich war zwar selbst keineswegs von der fragwürdigen Designentscheidung angetan und trotzdem hat mich die Frage beschäftigt, warum gerade das für so viel Zündstoff gesorgt hat. Ich glaube der Grund dafür, dass wir als Schülerschaft erst im Nachhinein protestiert haben, lag hauptsächlich an dem Fakt, dass man uns beispielhaft demonstriert hat, wie wir übergangen wurden. Zusammen mit rund 1500 Schüler*innen bin ich jeden Tag in diese Schule gegangen und niemand ist auf die Idee gekommen uns zu Fragen, mit welcher Ausgestaltung wir uns wohlfühlen würden und das, obwohl diese sich nachweislich positiv auf den Lerneffekt ausübt. Schade. An Kreativität und Ideen zur Gestaltung hat es damals definitiv nicht gemangelt. An Möglichkeiten, sich als Schülerschaft Gehör zu verschaffen, schon.   

Festgefahrene Strukturen müssen hingenommen werden 

Auch mit dem Überqueren der Türschwelle wurde man nicht unbedingt von einem Wohlfühlklima empfangen. Das hing für mich in vielen Fällen mit dem – aus meiner Sicht – konfusen und unnachvollziehbarem Regelwerk der Schule zusammen. Als Paradebeispiel dafür erwies sich der Aufenthalt in den Klassenräumen während der Pausenzeiten, der uns gänzlich untersagt war. Insbesondere in den Wintermonaten kam es deshalb immer wieder zu Diskussionen zwischen Schüler*innen und Lehrkräften, was unter anderem dem Umstand geschuldet war, dass die Klassenräume nahezu die einzigen Räumlichkeiten waren, die ausreichend beheizt wurden. Sogar die Sitzplätze, die zum Essen angedacht waren, befanden sich in direkter Nähe zur Tür. Den konstanten Durchzug gab es inklusive. Wer in den Pausen also gerne an einem Tisch essen wollte, hatte die unglückliche Wahl, sich zu seinem 1,20€ Schnitzelbrötchen ohne Aufpreis auch eine Blasenentzündung zu holen oder in dicker Winterjacke zu essen.  

Der Grund dafür war simpel: Wenn vereinzelte Schüler*innen während der Pausen in der Klasse bleiben würden, hätten sie eine Gelegenheit zu stehlen. Das ist eine Begründung, die man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen muss. Denn was im ersten Moment vielleicht nachvollziehbar klingt, lässt im nächsten schon den impliziten Verdacht der gesamten Schülerschaft durchscheinen. Zuerst möchte ich an dieser Stelle betonen, dass es an unserer Schule nie ein Problem mit Diebstahl gab. Man hat also präventiv versucht, ein Problem zu lösen, das gar nicht existierte und eine ganze Schule unter Generalverdacht gestellt. Dieses mangelnde Vertrauen in die Schülerschaft sehe ich grundsätzlich kritisch. Eine produktive Zusammenarbeit zwischen Schüler*innen und Lehrkräften steht bei so einem grundlegenden Misstrauen auf einem schlechten Fundament. Ganz gleich wie viele Diskussionen diese Regelung damals mit sich gezogen hat – und es waren nicht wenige – man blieb bei genau dieser Aussage und jegliches Hinterfragen wurde abgewiegelt, Kompromisslösungen wurden von vornherein unterbunden. Für mich war diese Regelung völlig irrational und nicht nachvollziehbar. Es hat sich nach einer reinen Prinzip-Sache angefühlt, die im Grunde für alle Beteiligten nur Nachteile bringt. Letztendlich hatte ich das Gefühl, dass unsere Sichtweise keine Rolle gespielt hat – und, dass die Artikulation unserer Wünsche im Grunde genommen ungewollt ist.  

 

Wie das Ausschöpfen der Machtposition schnell zur Bloßstellung führt 

Dieses Machtgefälle und der Eindruck, dass das eigene Wohlbefinden keine Rolle gespielt hat, haben meine Schulzeit für mich zu einer der unangenehmeren Erfahrungen gemacht hat. Wenn ich an Situationen denke, in denen ich mich in meinem bisherigen Leben unwohl gefühlt habe, werfe ich meistens einen Blick zurück auf meine Schulzeit. Referate vor der gesamten Klasse halten, zum Sprechen aufgefordert werden, obwohl man sich nicht gemeldet hat, an die Tafel zitiert werden, um etwas zu demonstrieren – Das alles sind Situationen, die ich immer und immer wieder erlebt habe. Insbesondere diese konstante Angst des „Aufgefordert Werdens“ hat mich durch die Schulzeit begleitet und sich vorzugsweise genau dann bewahrheitet, wenn sich gerade niemand meldet; als wäre das der beste Moment, um Schüler*innen, die sich selten mündlich beteiligen, zu ermutigen. Ich bin bis heute unsicher, woher dieser Gedanke kommt.  

Mir ist vollkommen klar, dass mündliche Beteiligung zur Schule dazugehört und auch, dass man im Zweifelsfall sagen kann, dass man etwas nicht weiß. Aber ich glaube, die meisten Menschen können dieses unangenehme Gefühl nachvollziehen, wenn plötzlich 30 Augenpaare auf einen gerichtet sind und man unsicher ist, was man sagen soll, sich unter Druck gesetzt fühlt und dann vielleicht redet, ohne nachzudenken. Es gibt sicher Schüler*innen, denen das nichts ausmacht. Aber für viele, und da schließe ich mich ein, waren diese Erfahrungen destruktiv. Je öfter ich dazu aufgefordert wurde, etwas zu sagen, desto weniger habe ich mich von selbst gemeldet. Diese Momente haben mir den Mut genommen, etwas zu sagen. Ein sensiblerer Umgang wäre hier wichtig gewesen. Insbesondere bei Lehrer*innen, denen es offensichtlich Spaß gemacht hat, ihre Machtposition in diesen Momenten auszureizen. Denn auch die gab es. Eine Idee wäre in jedem Fall eine anonyme Beschwerdestelle, ein Kummerkasten oder auch eine Fortbildung für die Lehrkräfte gewesen, die immer wieder durch ihr fehlendes pädagogisches Verständnis aufgefallen sind.  

 

Die tägliche Qual und welche Werte einem wirklich vermittelt werden 

Ich gehe also morgens in meine uringelbe Schule, kleide mich in der Mittagspause, als wäre das Michelin-Männchen mein Vorbild, damit mir die Blasenentzündung erspart bleibt und richte dann ein Stoßgebet gen Himmel in der Hoffnung, dass ich nicht ohne mein Zutun aufgerufen werde. Fünf Tage die Woche, acht Jahre lang, ohne das Gefühl zu haben, gehört oder gesehen zu werden, geschweige denn etwas an den festgefahrenen Strukturen ändern zu können. 
Ich glaube, dass gerade die Tatsache, dass die eigenen Bedürfnisse und Wünsche nicht berücksichtigt wurden, dazu geführt hat, dass ich innerhalb der Schule nicht ich selbst sein konnte. Ich hatte das Gefühl, dass Schule kein Ort für Bedürfnisse und Wünsche ist, dass es sich dabei um Dinge handelt, die für den Raum außerhalb gedacht sind. 
Das Tragische daran ist nicht einmal, dass die Schulzeit für mich eine unangenehme Erfahrung war, sondern der Umstand, dass es auch über die Schulzeit hinaus noch eine Weile gebraucht hat, bis ich verstanden habe, dass meine Stimme einen Wert hat und, dass es die Möglichkeit gibt, mir Gehör zu verschaffen. Selbstwirksamkeitserfahrungen und die Chance auf eine freie Entfaltung, sind für mich entscheidend, um genau das zu lernen. Wenn ein System das verhindert, indem es einem vermittelt, dass man die eigenen Bedürfnisse und Ansichten vor der Türschwelle ablegen muss, weil Schule kein Ort dafür ist, dann ist das ein schlechtes System. 

 

Hätte aula helfen können, etwas zu verändern? 

Mit aula hätte es vielleicht die Möglichkeit gegeben, dieses Machtgefälle aufzuweichen und die hierarchischen Strukturen auszugleichen. Zumindest bis zu einem gewissen Grad. Man hätte sich auf einen Austausch einlassen und sich die Ideen der Schüler*innen zumindest anhören müssen. Das wäre ein Anfang gewesen. Mittlerweile weiß ich, dass es Vorschriften zur Gestaltung der Schulfassade gibt, und ich bin mir ebenfalls der Tatsache bewusst, dass die Aufsichtspflicht es schwierig macht, Schüler*innen allein in einem Klassenraum zu lassen. Aber auch da hätte aula einen Ansatz geboten, in dem man diesbezüglich Transparenz geschaffen hätte. Auch das „Warum“ zu verstehen, kann helfen, um unliebsame Regeln gegebenenfalls zu akzeptieren. Es hätte vielleicht dieses Ohnmachtsgefühl vertrieben und vermittelt, dass man sich respektvoll und auf Augenhöhe begegnet. Und es hätte mir vielleicht viel eher deutlich gemacht, dass die eigene Stimme einen nicht zu unterschätzenden Wert hat, von dem man gerade bei Ungerechtigkeiten und in Krisenzeiten Gebrauch machen sollte.   

Das Projekt aula als solches wurde 2014 ins Leben gerufen; ein Jahr vor meinem Schulabschluss. Für mich leider ein bisschen zu spät. Aber der Ausblick darauf, dass aus dem Projekt mittlerweile eine eigene gemeinnützige Organisation geworden ist und das Interesse an einer Umgestaltung und Demokratisierung von und an Schulen steigt, stimmt mich positiv für die Zukunft.   

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„Es muss mal so richtig auf den Putz gehauen werden“

In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme ­– obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Henri ist elf Jahre alt und besucht die sechste Klasse des Wentzinger-Gymnasiums in Freiburg. Er ist nicht nur Unterstufensprecher an seiner Schule, sondern auch Mitglied des Freiburger Schülerrats. Egal wo: Henri möchte zeigen, dass auch junge Schüler*innen eine Stimme brauchen – und dass wir ihnen häufiger und aufmerksamer zuhören sollten.

 

aula: Henri, in welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, mitbestimmen zu können?

Henri: Das ist eine gute Frage, da kann ich dir gar keine klare Antwort geben. In manchen Bereichen kann ich mich gut durchsetzen. Aber es gibt überall immer wieder Personen, die mir zu verstehen geben, dass sie die Ansagen machen – und das fühlt sich schon blöd an. In der Schule zumindest hat sich das Gefühl verbessert, seit aula eingeführt wurde. Aula ist ja auch dafür da, um ein Zeichen zu setzen und zu zeigen: „Hey, du kannst was ändern und deine Ideen sind nicht egal.“

aula: Denkst du, dass du in der Schule ernstgenommen wirst?

Henri: Ja, meistens werde ich schon ernstgenommen – aber das liegt auch daran, dass wir supernette Menschen an unserer Schule haben, die auch jüngere Leute wie mich ernstnehmen. Außerdem habe ich ja eine relativ wichtige Aufgabe durch den Freiburger Schülerrat. Vielleicht hängt es auch ein bisschen damit zusammen.

aula: Glaubst du, dass es deinen gleichaltrigen Mitschüler*innen da anders geht? Vor allem denen, die nicht in der SMV sind?

Henri: Ja, leider schon. Die meisten Schüler in meinem Alter denken sich zum Beispiel: „Ach, ich geh nicht auf aula, ich kann sowieso nichts ändern.“ Das liegt zum Teil an den Eltern, aber zum Teil auch an den Lehrern, die ihre Schüler nicht immer zum Mitmachen motivieren.

aula: Wie geht es dir im Vergleich zu den älteren Schüler*innen? Hast du das Gefühl, dass die eher ernstgenommen werden als du?

Henri: Ja, natürlich. Ich meine, als ich in die SMV gekommen bin, haben wahrscheinlich alle gedacht: „Oh Gott, wie süß.“ Die Großen bekommen halt mehr Respekt. Aber ich glaube, die Leute haben inzwischen gemerkt, dass ich was draufhabe und dass auch ich was bewegen kann. Jetzt geht es mir sehr gut in der SMV.

aula: Aber du musstest dir das erst erkämpfen?

Henri: Ja, schon. Von vielen wurde ich mit offenen Armen empfangen, aber es gibt halt immer Ausnahmen. Am Anfang gab es schon Leute, die über meine Ideen gelacht haben und meinten, dass das sowieso nichts wird.

aula: Wenn du sowas erlebt hast, fällt es dir dann trotzdem leicht, deine Ideen zu äußern – gerade vor den älteren Schüler*innen und den Lehrer*innen? Oder gibt es Momente, in denen du dir denkst: „Boah, das würde ich jetzt echt gern sagen, aber ich traue mich nicht“?

Henri: Ne, das Problem habe ich gar nicht. Ich sag´s dann einfach, ich habe ja nichts zu verlieren. Wenn es dann nicht gut ankommt, dann ist es eben so und die Idee landet im Papierkorb.

aula: Fällt dir etwas ein, was es brauchen würde, damit du noch besser mitentscheiden kannst?

Henri: Ne, gerade nicht. Außer: Also ich darf schon sehr viel mitentscheiden, aber ich bin leider kein Klassensprecher. Also ich darf zwar mit in die SMV-Sitzungen kommen, aber ich darf nicht bei Abstimmungen mitmachen.

aula: Das heißt, du diskutierst die ganze Zeit mit, aber am Ende darfst du nicht sagen, ob du dafür oder dagegen bist?

Henri: Ja, genau. Das finde ich schon blöd. Aber ansonsten bin ich schon gerne bei SMV-Sitzungen. Ich glaube, ich werde noch mit 90 im Rollstuhl sitzen und denken: „Ach, das waren tolle Zeiten.“

aula: Wieso möchtest du überhaupt aktiv deine Schule mitgestalten?

Henri: Ich hatte einfach schon immer richtig viel Bock, etwas zu bewirken und Sachen einfach zu machen. Es gibt einige Schüler, die behaupten, die Schule sei ihnen egal. Und diese Ist-Mir-Egal-Haltung habe ich nicht.

aula: Glaubst du, dass es ihnen wirklich egal ist?

Henri: Einigen vielleicht schon. Leider ist es aber bei vielen so, dass sie tatsächlich gerne etwas ändern würden, aber denken, dass sie zu klein dafür sind.

aula: Hast du eine Idee, was den jüngeren Schüler*innen helfen würde?

Henri: aula hilft auf jeden Fall. Aber es muss auch mal so richtig auf den Putz gehauen werden. Lehrer müssen ihren Schülern sagen: „Ey Leute, ihr seid nicht egal. Ihr könnt mitbestimmen, ihr seid ein wichtiger Teil dieser Schule.“

aula: Hast du selbst mal eine Idee auf aula gepostet? Und falls ja, magst du verraten, welche das war?

Henri: Ja, tatsächlich schon. In der SMV ist mal die Idee entstanden ein „Schulkino“ zu machen, das habe ich, als es aula dann bei uns gab, direkt eingestellt. Damit meine ich eine Art Sponsorenkino, wo Filme gezeigt und die Einnahmen dann für einen guten Zweck gespendet werden. Zum Beispiel, um den Menschen in der Ukraine zu helfen oder für eine bessere Bezahlung des Putzpersonals an unserer Schule. Aus der Idee ist dann aber nichts geworden. Wir sind eigentlich schon richtig gut vorangekommen, aber dann ist es an den Lizenzen gescheitert, die man für sowas braucht. Wir hätten halt nicht einfach Star Wars 4 bei uns im Kino zeigen dürfen.

aula: Glaubst du, dass Schüler*innen in Zukunft mehr mitentscheiden dürfen als jetzt?

Henri: Ja, schon. Jetzt gerade endet so die Generation von Lehrern, die sagt: „Wir sind die Chefs und ihr seid die Kinder und habt nicht mitzubestimmen.“ Ich habe das Gefühl, dass im Moment so eine Aufbruchsstimmung wieder herrscht und dass sich in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren viel tun wird und Schüler mehr entscheiden dürfen.

aula: Das heißt, du machst mit jüngeren Lehrer*innen andere Erfahrungen als mit älteren, wenn es um Mitbestimmung geht?

Henri: Ja. Es gibt auch ältere Lehrer, die wahnsinnig Bock haben tolle Sachen zu machen, aber es gibt auch viele, die einfach ihren Lehrplan durchziehen und bei denen es wirkt, als wäre ihnen egal, wie es ihren Schülern geht. Gerade viele junge Lehrer haben dafür umso mehr Lust und ein gutes Verhältnis zu ihren Schülern – die geben sich sehr viel Mühe.

aula: Henri, es dauert noch etwas, bis du die Schule verlässt, aber hast du trotzdem schon etwas, was du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen wünschst?

Henri: Ich wünsche ihnen, dass die Lehrer ihnen auf Augenhöhe begegnen. Dass die Lehrer wirklich sagen: „Hey, du kannst was bewirken und ich helfe dir dabei.“ Dass die Lehrer sie an die Hand nehmen und den Weg mit ihnen zusammen gehen. Und dass die Schule dann nicht mehr nur ein Ort ist, an dem man lernt, sondern darüber hinaus zu einem tollen Ort wird, wo man einfach gerne seine Zeit verbringt.

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„Schüler*innen verstehen, dass man Veränderung einfordern kann“

In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme ­– obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Vincent ist siebzehn Jahre alt und geht in die zwölfte Klasse der Ellen-Key-Schule in Berlin. Er findet, dass es an seiner Schule genug offene Ohren für kleine Wünsche gibt. Auf der politischen Ebene jedoch passiere zu wenig – niemand rüttelt mal am System.

 

aula: Vincent, in welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, dass du mitentscheiden kannst?

Vincent: Im privaten Bereich kann ich mitentscheiden. Alles, was mich betrifft, entscheide ich im Prinzip selbst ­– was ich beruflich machen möchte, zum Beispiel. Wenn es auch um andere geht, dann hat man schon weniger Entscheidungsmacht. Und in so großen Institutionen wie der Schule, wenn es feste Strukturen gibt und verschiedene Positionen darin, dann ist es sehr schwer, etwas zu ändern.

aula: Das heißt, du nimmst die Schule als einen Bereich wahr, in dem du weniger Einflussmöglichkeiten hast als in deinem privaten Umfeld?

Vincent: Ja, genau. Aber auch die Politik. Das sind beides Bereiche, in denen es feste Grundsätze gibt, an denen man nicht so leicht etwas verändern kann.

aula:  Bedeutet das, dass es dir in der Schule schwerer fällt, deine Bedürfnisse und Ideen einzubringen?

Vincent: Es kommt sehr darauf an, welche Bedürfnisse das sind. An dem Benotungssystem oder dem Unterrichtsstoff kann man nicht rütteln. Da ist alles sehr starr.

aula: Würdest du gerne daran rütteln?

Vincent: Ja! Man könnte sollte sich mal ernsthaft fragen, wieso man das alles so macht. Das Notensystem wird ja bereits viel kritisiert. Ich finde, da sollte man wirklich mal was ändern.

aula: Was ist denn mit kleineren Wünschen, die nicht das große Ganze, aber trotzdem den Bereich Schule betreffen? Kannst du die äußern?

Vincent: Wenn es um kleinere Dinge geht, kommt es vor allem darauf an, an wen man sich wendet. Aber ich finde, an unserer Schule funktioniert es ganz gut. Es gibt viele engagierte Lehrer*innen, die man ansprechen kann, wenn man eine Idee oder einen Wunsch hat. Außerdem haben wir Schülersprecher*innen, die sich einsetzen.

aula: Das heißt, man stößt mit seinen Anliegen in der Regel auf offene Ohren?

Vincent: Mit den kleinen Anliegen schon. Aber wenn es um größere und eher grundsätzliche Fragen geht, dann passiert eigentlich nichts, wie gesagt.

aula: Was sind denn Beispiele für solche Wünsche oder Bedürfnisse, die du selbst hast oder die du häufiger von anderen hörst?

Vincent: Wenn es spezifisch um unsere Schule geht, dann ist gerade ein großes Thema, dass wir den vorderen Pausenhof nicht verändern dürfen. Aus Denkmalschutz-Gründen. Das ist allerdings der Bereich für die Oberstufenschüler*innen. Aktuell müssen wir quasi auf dem Gehweg stehen in unseren Pausen, weil wir eben keine Bänke oder sowas aufstellen dürfen. Das ist ziemlich nervig, aber da kann die Schule selbst nichts dran ändern. Davon abgesehen geht es viel um das System an sich, darum, dass die Notenvergabe oft ungerecht ist, zum Beispiel. Wir haben gerade erst wieder eine Matheklausur nach den Ferien geschrieben. Die fallen bekanntermaßen immer schlechter aus als die Klausuren, die vor den Ferien geschrieben werden. Aber da wird nichts verändert, das bleibt einfach so, obwohl wir uns beschweren. Weil man es schon immer so gemacht hat.

aula: Was bräuchte es, damit du besser mitentscheiden kannst – wenn wir jetzt einmal bei den kleineren Ideen bleiben, die sich direkt an deiner Schule umsetzen lassen?

Vincent: Also einmal, dass sich noch mehr Lehrkräfte offen für Veränderung zeigen. Dass man irgendwann wirklich mit allen reden kann und da nicht vor die Wand läuft. Aber dann auch so Möglichkeiten wie aula zum Beispiel. Projekte, die Schüler*innen dabei unterstützen, sich einzubringen.

aula: Konnte das aula-Projekt denn etwas für dich persönlich verändern?

Vincent: Ich war an der aula-Einführung an meiner Schule beteiligt. Da durfte ich zum Beispiel, gleichberechtigt mit den Lehrer*innen, darüber abstimmen, ob wir aula vor oder nach den Ferien starten. Das war schon cool. Das Gefühl, wie sehr man mitbestimmen darf, das hat sich schon verändert. Auch dadurch, dass man sich nicht mehr durch unnötig komplizierte oder unangenehme Situationen durchkämpfen muss, um eine Idee einzubringen. Dass man seine Idee direkt in der App posten kann, sorgt dafür, dass man auch mehr Lust hat mitzuentscheiden. Aber bisher ist aula bei uns eher noch in der Anfangsphase, also konkrete Projekte wurden noch nicht umgesetzt.

aula: Hast du selbst schon Ideen über aula eingebracht?

Vincent: Noch nicht wirklich. Aber wir Schüler*innen wollen ja auch oft das Gleiche. Zum Beispiel, dass die Toiletten nicht so oft verschmutzt sind oder dass es dort immer Toilettenpapier gibt und man nicht erst danach fragen muss. Da sind sich alle einig, dass sich da etwas verändern muss.

aula: Gibt es etwas, was du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen wünschen würdest?

Vincent: Ja, Veränderung in diesen grundsätzlichen Themen. Zum Beispiel im Fach Sport sollte nicht so streng benotet werden. Da sollten alle, die sich wirklich anstrengen, auch die Chance auf eine gute Note haben. Beziehungsweise sollten wir uns vielleicht auch mal überlegen, ob es in Fächern wie Sport wirklich Noten braucht.

aula: Glaubst du, dass es in der Zukunft mehr Mitentscheidungsrechte für Schüler*innen geben wird?

Vincent: Ich weiß es nicht. Ich weiß, man soll immer positiv bleiben, aber es gab bisher so wenig Veränderung, dass ich da nicht besonders zuversichtlich bin. Da braucht es eine Veränderung in der Politik, also dass da wirklich mal der Wille zu Reformen in unserem Schulsystem aufkommt und das sehe ich noch nicht. Da bin ich gerade eher pessimistisch.

aula: Und im kleineren Rahmen?

Vincent: Ja, also da tut sich was. Mit Projekten wie aula zum Beispiel, aber auch dadurch, dass Schüler*innen durch das Internet, die sozialen Medien, die Globalisierung und so weiter früher politisch aktiv werden und verstehen, dass man Veränderung auch einfordern kann.

aula: Also denkst du, dass Schüler*innen in der Zukunft stärker dafür einstehen werden, dass sie mitbestimmen dürfen?

Vincent: Ja, genau. Ich glaube nicht, dass das die große Veränderung bringen wird. Aber im kleinen Rahmen, da kann sich zukünftig etwas bewegen.

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„Ich musste erst lernen, meine Meinung einzubringen“

In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme ­– obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Dass es auch anders geht, zeigt ein Interview mit Edda. Edda ist siebzehn Jahre alt und geht in die zwölfte Klasse der Ellen-Key-Schule in Berlin. Als Klassensprecherin erlebt sie, dass Mitbestimmung in der Schule funktionieren kann. Sie weiß aber auch, dass es dafür vor allem zwei Dinge braucht: Durchsetzungsfähigkeit und Zeit.

 

aula: Edda, zum Einstieg eine sehr große Frage: In welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, dass du mitentscheiden kannst?

Edda: Da gibt es viele! Erstmal in meiner Familie. Meiner Mutter ist die Meinung von uns Kindern sehr wichtig. Außerdem bin ich in einer Beziehung, da ist es natürlich auch wichtig, dass beide mitentscheiden können. In der Schule kann ich auch mitentscheiden. Allerdings sind das alles Felder, in denen ich erst im Laufe der Zeit gelernt habe, wie ich meine Meinung am besten einbringen kann – und dass ich mich trauen muss, es anzusprechen, wenn ich finde, dass ich nicht genug einbezogen werde.

aula: Hast du das Gefühl, dass du auf politischer Ebene Einflussmöglichkeiten hast?

Edda: Ja, klar. Ich bin siebzehn, das heißt, ich darf zumindest bei manchen Wahlen mitwählen. Ansonsten kann ich mich an Demonstrationen beteiligen. Natürlich hat man mehr Einfluss-möglichkeiten, wenn man volljährig ist, aber momentan stört mich das nicht. Ich merke, dass ich in den letzten zwei Jahren reifer geworden bin und erst jetzt angefangen habe, mich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. Außerdem werde ich in zwei Wochen schon achtzehn, also mal sehen, wie es dann wird.

aula: Du hast gesagt, dass Schule ein Bereich ist, in dem du mitentscheiden darfst. Fällt es dir leicht, dich in der Schule mit deinen Ideen und Bedürfnissen einzubringen?

Edda: Es ist nicht immer ganz einfach. Hier an der Schule gibt es achthundert Schüler, daher ist es schwer, alle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Ich bin Klassensprecherin und damit Teil der Schülerversammlung, weshalb ich besondere Einflussmöglichkeiten habe. In der Schülerversammlung können wir Probleme gezielt ansprechen und die Anliegen von Klassen und Kursen einbringen. Da funktioniert das mit dem Beteiligen und Sich-Durchsetzen ganz gut. Gerade, weil unsere Schülersprecher in einem engen Austausch mit der Schulleitung stehen und so die Bedürfnisse der Schüler über sie weitergegeben werden können.

aula: Die Schülerversammlung wird deiner Meinung nach also ernstgenommen?

Edda: Ja, werden wir. Aber natürlich gibt es auch Dinge, die sagt man immer wieder und es funktioniert nicht.

aula: Was denn zum Beispiel?

Edda: Aktuell versuchen wir durchzusetzen, dass es Periodenprodukte auf den Schultoiletten gibt. Das Problem ist, dass einige Lehrer davon ausgehen, dass nicht sorgsam damit umgegangen wird. Dass die Produkte geklaut werden oder sowas. Ich finde, da bräuchte es eine Probephase, um zu testen, ob es nicht doch funktionieren kann. Daher: Es gibt schon manchmal ein Gegeneinander von den Bedürfnissen der Schüler und den Vorannahmen der Lehrer.

aula: Fühlst du dich heute ernstgenommener als in der Unterstufe oder vor deiner Zeit als Klassensprecherin?

Edda: Innerhalb der Schülerschaft auf jeden Fall. Wenn man älter ist, wird man auch eher ernstgenommen. Aber ich habe gemerkt, dass es mir in diesem Jahr weniger wichtig geworden ist, dass auf mich gehört wird. Ich gehe nur noch anderthalb Jahre zur Schule. Daher ist für mich wichtiger, was jüngere Schüler wollen. Außerdem war ich im letzten Schuljahr definitiv engagierter als jetzt, da hatte ich mehr Zeit. Das war eine coole Erfahrung, weil ich das Gefühl hatte, wirklich mitwirken zu können. Aber jetzt konzentriere ich mich stärker auf den Unterricht. Ich habe einfach nicht mehr so viel Zeit für Engagement in der Schule, weil ich immer Gefahr laufe, Stoff zu verpassen. Wenn ich in der Schülerversammlung sitze, verpasse ich bereits zwei Stunden, die ich anschließend nachholen muss.

aula: Das bedeutet, dass du dich eigentlich gerne mehr engagieren würdest, aber dir die Zeit dafür fehlt?

Edda: Ja, genau. Es fehlt allen an Zeit. Es gibt wohl manchmal Freistunden, die man theoretisch nutzen kann, um sich zu engagieren, aber weil nicht alle gleichzeitig frei haben, gibt es immer Schüler, die für ihre Teilnahme im Unterricht fehlen und dann alles nacharbeiten müssen. Manchmal riskiert man sogar eine Fehlstunde.

aula: Was bräuchte es außer Zeit noch, damit du besser mitentscheiden kannst?

Edda: Wenn man eine Idee oder ein Anliegen hat, ist es manchmal gar nicht so einfach herauszufinden, an wen man sich damit wenden kann. Theoretisch kann man immer zur Schulleitung gehen, aber die kann sich nicht um achthundert Schüler gleichzeitig kümmern. Es würde deswegen helfen, wenn regelmäßig direkt bei den Schülern nachgefragt wird, was gerade gebraucht wird. Aber vor allem braucht es mehr Zeit.

aula: Hat deine Teilnahme an dem aula-Projekt etwas für dich verändert?

Edda: Durch aula wurde mir zum ersten Mal bewusst, in welchen Bereichen wir Schüler vorher überhaupt nicht mitreden durften. Außerdem finde ich den Aufbau des Projekts gut. Also, dass es verschiedene Phasen gibt, durch die eine Idee immer konkreter wird. Und es ist schön zu wissen, dass die Idee auch umgesetzt werden muss, wenn sie es durch alle Phasen geschafft hat. Manchmal gibt es natürlich Schwierigkeiten: Die Idee mit den Periodenprodukten hat zwar viele Stimmen bekommen, aber es sind auch einige Problempunkte aufgekommen, an die ich vorher gar nicht gedacht habe. Oder ein anderes Beispiel ist, dass wir Sitzbänke vor dem Schulgebäude aufstellen wollten, was nicht geht, weil die Fassade nicht verändert werden darf. Das bedeutet, dass nicht immer alles klappt, aber zumindest erfahren wir Schüler jetzt die Gründe dafür. Dadurch merkt man, dass es nicht daran liegt, dass unsere Ideen nicht erwünscht sind. Wir wissen jetzt, wo wir ansetzen können, wenn wir etwas bewegen wollen.

aula: Was würdest du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen wünschen?

Edda: Das ist für mich ein Riesenthema, weil ich noch zwei jüngere Geschwister habe. Ich wünsche mir natürlich, dass zum Beispiel das aula-Projekt ausgeweitet und intensiver genutzt wird, damit Schüler ihre Meinung besser einbringen können. Außerdem wünsche ich mir sowas wie Projekttage. Wir wollten mal unseren Klassenraum umgestalten, aber das ging nicht, weil es mal wieder keine Zeit dafür gab. Feste Projekttage könnte man gut für sowas nutzen.

aula: Denkst du, dass es in den nächsten Jahren mehr Mitentscheidungsmöglichkeiten für Schüler*innen geben wird?

Edda: Ja, ich würde sagen, dass wir auf einem guten Weg dahin sind. Die Digitalisierung ist dafür wichtig, denke ich. Früher gab es nicht die Möglichkeit, dass achthundert Schüler gleichzeitig zusammenkommen und sich austauschen ­– heute geht das auf digitalem Wege schon. Ich glaube, dass es noch etwas braucht, um alles wirklich in Gang zu bringen, aber dann ist einiges möglich. Hier an der Schule wurden bereits einige Projekte gestartet und es gibt viele engagierte Lehrer, an die man sich immer wenden kann und die einem helfen. Es wird also bereits versucht, etwas zu verändern.

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„Für mich ist Schule viel mehr als nur Unterricht“

In wichtigen Bereichen des eigenen Lebens mitbestimmen zu dürfen, fördert das Wohlbefinden und stärkt das Selbstbewusstsein. Allerdings gibt es in Schulen bislang nur selten feste Möglichkeiten zur Einflussnahme ­– obwohl Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit dort verbringen. Viele Schüler*innen haben daher das Gefühl, dass ihre Ideen und Bedürfnisse nicht gehört werden. Jannis ist achtzehn Jahre alt und Schüler der zwölften Klasse des Wentzinger-Gymnasiums in Freiburg. Als Schülersprecher erlebt er die Schule als einen Ort, den er selbst mitgestalten kann. Jannis weiß aber, dass das längst nicht auf alle Schüler*innen zutrifft – und hat Ideen, was getan werden könnte, um das zu ändern.

 

aula: Jannis, in welchen Bereichen in deinem Leben hast du das Gefühl, dass du mitentscheiden kannst?

Jannis: Erstmal im Privaten natürlich. Alles, was mein eigenes Leben betrifft, darf ich selbst entscheiden – beispielsweise Fragen wie die, was ich nach dem Abitur machen möchte. Und dann bedeutet mitentscheiden ja nicht, dass ich alles allein entscheiden darf. Daher würde ich sagen, ich kann auch im Orchester mitentscheiden. Aber da wird es schon schwieriger, weil dort Hierarchien ins Spiel kommen. In der Schule fühle ich mich eigentlich auch gehört, obwohl die Hierarchien dort noch stärker sind und die Vorgaben von oben nach unten oft sehr absolut, sodass ich, wenn es um die großen Dinge geht, doch recht wenig mitentscheiden kann.

aula: Das heißt, du erlebst da schon eine Abstufung? Also solange es dich selbst betrifft, kannst du eigentlich alles entscheiden, im Orchester wird es etwas weniger und in der Schule noch weniger? Also sprich: Je stärker und festgefahrener die Hierarchien werden, desto weniger fühlst du dich, als könntest du mitbestimmen?

Jannis: Ja, genau.

aula: Was ist mit dem politischen Bereich?

Jannis: Ich habe das Wahlrecht, aber konnte es noch nicht nutzen. Ansonsten denke ich, dass es auch in der Politik so ist, dass man, wenn man etwas erreichen möchte, enorm viel Zeit und Energie aufwenden muss. Man kann das schon schaffen, über Bürgerbeteiligung oder andere formelle Wege, aber je höher es geht, desto schwieriger wird es. Damit meine ich: Auf kommunaler Ebene funktioniert es noch einigermaßen. Ich habe in Freiburg mit anderen Schülersprechern eine Schülervertretung neu aufgebaut und darüber schon das Gefühl bekommen, kommunal mitreden zu können. Aber bezogen auf die Landes- oder Bundespolitik… Da braucht es dann schon einiges, um etwas durchzusetzen.

aula: Lass uns noch einmal auf den Bereich Schule zurückkommen: Fällt es dir persönlich leicht, deine Ideen und Vorstellungen in der Schule einzubringen?

Jannis: Ja, aber ich habe als Schülersprecher auch eine besondere Rolle. Trotzdem würde ich sagen, dass es bei uns an der Schule insgesamt ganz gut funktioniert. Man wird als Schüler von der Schulleitung gehört und ernstgenommen. Ich selbst natürlich stärker, weil ich immer auch in meiner Rolle als Schülersprecher spreche, aber das Miteinander an unserer Schule ist insgesamt positiv. Trotzdem gibt es auch Ideen, mit denen man scheitert. Zum Beispiel finde ich, dass wir dringend die Abiturthemen reduzieren müssten, aber da ist nichts zu machen, da das eben die Vorgaben von ganz oben sind. Da fühle ich mich manchmal schon ohnmächtig angesichts des Systems. Aber solange die Themen gezielt unsere Schule betreffen, fühle ich mich gehört.

aula: Was denkst du, sind Gründe dafür, dass sich andere Schüler*innen weniger ernstgenommen fühlen als du?

Jannis: Für mich ist Schule viel mehr als nur Unterricht: Ich mache eigene SMV-Projekte, bin im Orchester, gehe abends zu Veranstaltungen und so weiter. Für andere ist Schule dann doch mehr dieses „Ich gehe hin, ich gehe in den Unterricht, ich gehe wieder nach Hause.“ Diejenigen, die Schule nur als Unterricht sehen und froh sind, sobald sie das Schulgelände nachmittags wieder verlassen dürfen, haben häufiger das Gefühl, nichts verändern zu können. Sich in der Schule zu engagieren ist unglaublich viel Arbeit. Man kämpft die ganze Zeit gegen Hierarchien an und bis man eine Kleinigkeit erreicht hat, kann es unter Umständen ganz schön lange dauern. Man braucht einen langen Atem und ich kann verstehen, dass manche sagen, dass sie da schlichtweg keine Lust drauf haben.

aula: Als Schülersprecher fühlst du dich ernstgenommen – aber wie war es, bevor du dieses Amt innehattest?

Jannis: Da gab es schone eine Entwicklung. Ich habe erst als ich Klassensprecher wurde das Gefühl bekommen, dass ich mitentscheiden kann. Wenn man jünger ist, reden auch die Eltern noch sehr viel rein – das erlebe ich andauernd. Wenn die Unterstufenschüler zum Beispiel ihre Handys in der Schule nutzen wollen, springen die Eltern direkt aufs Dach. Und auch Probleme werden häufig eher durch eine Mail der Eltern an die Lehrer gelöst. Da zeigt sich, dass man die jüngeren Schüler oft nicht ausreichend ernstnimmt.

aula: Fällt dir etwas ein, was es noch brauchen würde, damit du besser mitentscheiden kannst?

Jannis: Es braucht von allen Seiten eine größere Gelassenheit. Dass man Sachen einfach mal laufen lässt und Schülern etwas zutraut. Oft beschränken sich die Ideen von SMV auf Kleinigkeiten – eine Änderung der Hausordnung, neue Möbel auf dem Schulhof und so weiter. Daher würde ich mir mehr Raum für größere Ideen und Projekte wünschen. Damit meine ich auch, dass man zum Beispiel für Projekte wie aula Freiraum in der Unterrichtszeit schafft, damit nicht immer alles Zusätzliche in der Freizeit stattfinden muss. Außerdem sollten die Ideen von Schülern mehr anerkannt und auch begleitet werden. Darum geht es letztendlich: Dass Kapazitäten bereitgestellt werden, finanziell, aber auch personell, um Schüler wirklich bei der Umsetzung ihrer Vorhaben zu unterstützen. Dass nicht immer gesagt wird Das ist euer Ding, sondern gezeigt wird Es ist auch uns ein Anliegen.

aula: Denkst du, dass, wenn es mehr finanzielle und personelle Ressourcen gäbe, es auch zu mehr Beteiligung seitens der Schüler*innen käme?

Jannis: Ja, denn bisher ist jegliches Engagement zusätzliche Arbeit in der Freizeit. Ich merke zum Beispiel, dass, wenn ein SMV-Projekt während der Unterrichtszeit stattfindet, plötzlich andere Schüler dabei sind. Die chillen dann nicht und genießen die unterrichtsfreie Zeit, sondern sind wirklich motiviert bei der Sache. Es ist für viele einfach entspannter mitzuwirken, wenn du nicht andauernd deine große Pause opfern musst, um an einem Projekt mitzuarbeiten. Wenn anerkannt wird, dass ein SMV-Projekt genauso wichtig für das Leben sein kann wie das Durchdringen der Photosynthese bis ins letzte Detail, wird es möglich, dass sich mehr Schüler angesprochen fühlen und mitwirken wollen.

aula: Konnte das aula-Projekt in der Hinsicht etwas verändern?

Jannis: Es hat etwas gedauert, bis aula so richtig Fahrt aufgenommen hat bei uns. Die große Veränderung gab es bislang nicht, aber ich bleibe da positiv. Bislang werden vor allem Ideen eingestellt, die mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, schwer umzusetzen sind. So langsam hat sich aula aber in den Schulalltag eingeschlichen und es kommen auch kleinere Ideen dazu. Letztens im Deutschunterricht fragte eine Person, wieso es in der Schule eigentlich keinen Automaten geben würde, an dem man Hefte und Stifte kaufen kann und jemand anderes entgegnete: „Stell das doch auf aula ein.“

aula: Stellt ihr als Schüler*innenvertretung auch eure Ideen auf aula ein?

Jannis: Ne. Das wollten wir eigentlich machen tatsächlich, aber es ist bisher immer zwischen anderen Projekten untergegangen. Wir nutzen aber bereits aula, um die Ideen der anderen Schüler von dort aufzunehmen.

aula: Du machst ja im nächsten Jahr Abitur – bist du traurig, dass du deine Schule bald verlassen wirst?

Jannis: Ich glaube, wenn man nach dem Abitur etwas passendes für sich findet – ein Studium, eine Ausbildung oder so – dann ist das sicherlich erfüllender als Schule. Trotzdem wird irgendwas fehlen. Ich gebe mein Amt jetzt im Sommer ab, aber habe das noch gar nicht richtig realisiert. Ich will mich ab da komplett raushalten und die Vorstellung ist schon merkwürdig nach so vielen Jahren. Also ja, ein bisschen wehmütig bin ich schon und mir wird definitiv etwas fehlen. Natürlich gibt es Alternativen und ich könnte mich dann zum Beispiel kommunalpolitisch beteiligen, aber die Schule ist doch ein besonderer Ort – du kennst die Leute und die Abläufe und über die Jahre wächst man dann schon zusammen.

aula: Gibt es etwas, was du dir für nachfolgende Generationen von Schüler*innen wünschst?

Jannis: Noch mehr Einfluss. Und Rechte. Ich fände es zum Beispiel ein total starkes Signal, wenn bestimmte Themen nicht ausschließlich in Schulkonferenzen, sondern auch direkt mit Schülern besprochen werden würden und die dann auch eine gleichwertige Stimme hätten. Außerdem wünsche ich mir einen deutlich reduzierten Lehrplan mit mehr Freiheiten. Auch neue Formen des Lernens – es ist doch absurd, dass ich teils von morgens um acht bis abends um fünf in einem Klassenzimmer sitze und die Tafel anschaue. Ich wünsche mir, dass man das alles auflockert und individueller gestaltet.

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Schule. Leben. Zukunft. Kampagnenstart von “Du bist Demokratie!”

Wenn wir hundert junge Menschen fragen, “Wer von euch hat das Gefühl, etwas an den Problemen in der Welt verändern zu können?”, wie viele melden sich dann wohl?   

Wenn man nach den von der OECD veröffentlichten Zahlen der Pisa Studie aus 2018 geht: etwa 40 Prozent. Damit liegt Deutschland im Vergleich von 64 Ländern auf dem letzten Platz. Inzwischen haben wir 2023. Junge Menschen haben Klimaschutz auf die öffentliche Agenda gebracht, For Future-Bewegungen, Zuwachs in den Parteien. Wie steht es heute um die Überzeugung, zur Lösung der globalen Problemlage beitragen zu können? Als wir vor Kurzem bei einem aula-Workshop etwa 100 junge Menschen gefragt haben, wer hier etwas an den Problemen der Welt ändern kann, melden sich insgesamt acht Jugendliche. In der ersten Gruppe sind es sieben von circa 50 Schüler*innen. In der zweiten Gruppe meldet sich EIN einziger Sechstklässler. Wir formulieren die Frage um. “Wer hat das Gefühl, etwas verändern zu können? Bitte Hand heben” – eine Hand. “Wer hat das Gefühl, nichts ändern zu können?” – 49 Hände.  

Schule als Spiegelbild der Gesellschaft  

Diese anekdotische Umfrage erhebt keinen Anspruch auf deutschlandweite Übertragbarkeit, aber die Anzeichen sprechen für sich. Die rechtspopulistische AfD hat ihre höchsten Umfrageergebnisse seit fünf Jahren. Weltweit werden populistische Bewegungen immer beliebter, immer mehr Demokratien hören auf, Demokratien zu sein. Die Erfahrung, die wir seit 2016 mit aula machen, ist in gewisser Weise ein Spiegelbild eines größeren gesellschaftlichen Problems im Kleinen. Wenn Schüler uns gegenüber äußern, dass die Lehrer*innen “doch eh machen, was sie wollen”, kann hier eine Vorstufe für die Überzeugung entstehen, “die da oben machen doch eh machen, was sie wollen”. Tatsächlich haben die meisten jungen Menschen in der Schule kaum eine Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, sich mit Dingen zu beschäftigen, die ihnen am Herzen liegen, die mit ihnen und ihrem direkten Erleben zu tun haben. Genau dadurch entsteht aber Selbstbewusstsein, Verantwortungsgefühl und Selbstwirksamkeit – also die Erfahrung, das sich durch das eigene Handeln etwas verändert. Wenn schon in der Schule das Gefühl dominiert, ohnehin keinen Einfluss zu haben, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich nach der Schule für Mitmenschen, Umwelt, eine bessere Zukunft engagiere?   

Anpassung versus Fähigkeiten für die Zukunft  

Gleichzeitig fordert das Schulsystem in vielerlei Hinsicht Anpassung und das Wiedergeben von theoretischem Wissen. Das merken wir vor allem, wenn wir Schüler*innen offene Fragen stellen, bei denen es keine richtige oder falsche Antwort gibt, wo es um ihre Sicht der Dinge geht. Hier herrscht dann oft Unsicherheit. Manchmal bekommen wir auf die Frage, was sie gerne an ihrer Schule verändern würden, dann sogar ganz direkt die Gegenfrage “Was wollen Sie denn hören?”.  Wer sich immer nur anpasst und Wissen reproduziert, trainiert aber nicht grundlegende demokratische Fähigkeiten: das Beobachten der Gesellschaft und der Bedürfnisse anderer, das aktive Entwickeln und Einbringen von Ideen und Lösungen, Kooperation und Kreativität im Umgang mit gemeinsamen Problemen. Diese Fähigkeiten sind wie Muskeln, die man trainieren muss und die bei Nichtnutzung verkümmern. Auch für das Berufsleben sind die genannten Fähigkeiten wichtig.  

Demokratie in der Schulkultur verankern – mit aula  

Mitbestimmung in der Schule ist gesetzlich festgelegt – in der Praxis aber meist einer kleinen, häufig privilegierten Gruppe von Schüler*innen vorbehalten. Um eine Kultur der Beteiligung zu etablieren, in der jede und jeder selbstverständlich interessiert ist und mitmacht, braucht es mehr als Schülervertretung und Schülersprecher*innen. Es muss mehr Wege für Beteiligung derjenigen geben, die schüchtern sind. Die sich als passiv begreifen. Die nicht an sich glauben. Oder die es einfach nicht gewohnt sind, in ihrer Gemeinschaft eine Stimme zu haben. Genau daran arbeiten wir mit aula.   

Seit 2016 haben wir Konzepte, Materialien und eine Software entwickelt, die allen jungen Menschen in ihrem direkten Umfeld eine Stimme gibt und Beteiligung tief in der Schulkultur verankert. Und damit haben wir Großes vor. Um irgendwann alle jungen Menschen in Deutschland zu erreichen, brauchen wir eure Aufmerksamkeit, euer Netzwerk, eure Spenden! 

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