Vor über drei Jahren habe ich angefangen, mich gemeinsam mit meinem Freund gegen Kinderarbeit zu engagieren, er hatte damals eine Unterrichtsstunde zu dem Thema. Als wir daraufhin weiter über Kinderarbeit recherchiert haben, ist uns aufgefallen, wie wenig wir eigentlich über Kinderarbeit gelernt haben und was für ein weitreichendes Problem sie immer noch darstellt. Daraufhin haben wir unter anderem eine Website (www.fightchildlabor.de) gegen Kinderarbeit erstellt und Anfang 2024 auch einen Podcast gegründet. Da NGOs mich schon immer fasziniert haben und Bildung ebenfalls ein wichtiger Schritt gegen Kinderarbeit ist, bin ich auf aula gestoßen und freue mich nun hier mein Schülerpraktikum zu absolvieren. 

Gastbeitrag von Jonathan

aula ist eine gemeinnützige Organisation für Demokratiebildung an Schulen. Sie kümmert sich um Mitbestimmung für die Schülerinnen und Schüler – denn zur Schule gehen ist in Deutschland selbstverständlich und sogar Pflicht. Doch für manche Kinder auf der Welt sieht das ganz anders aus: 

Über 160 Millionen Kinder weltweit verrichten Kinderarbeit. Das ist jedes zehnte Kind der Welt. Als Kinderarbeit werden Arbeiten bezeichnet, für die Kinder entweder zu jung sind oder die gefährlich, ausbeutend oder aus anderen Gründen schädlich für ihre körperliche und seelische Entwicklung sind. Auch Arbeiten, die Kinder vom Schulbesuch abhalten, werden dazugerechnet.  

Kinderarbeit ist reeller als man denkt 

Kinderarbeit ist auch noch heute ein viel weitreichenderes Problem als viele denken. Für Kinder, die von Kinderarbeit betroffen sind, ist dies oft sehr gefährliche Arbeit. Ihr Alltag ist beispielsweise die Arbeit auf Kakaoplantagen, für 12 Stunden täglich oder in Kleidungsfabriken, umringt von Chemikalien. Von den 160 Millionen arbeitenden Kindern sind fast 80 Millionen, also gut die Hälfte, unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen tätig. Kinderarbeit kann viele verschiedene Formen annehmen, sodass sie in fast allen Branchen wiederzufinden ist. Rund um die Welt arbeiten Kinder in der Landwirtschaft, in Fabriken oder verrichten Hausarbeit. Entgegen vielen Klischees findet Kinderarbeit auch nicht nur in afrikanischen Ländern statt – sie ist das Problem fast aller Länder. Selbst in Industriestaaten wie den USA oder Italien gibt es immer wieder Verletzungen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz, wenn auch im geringeren Ausmaß. 

Wieso arbeiten Kinder? 

Umso wichtiger ist es, sich über Kinderarbeit zu informieren und zu wissen, wieso so viele Kinder arbeiten müssen. In den meisten Fällen führt die schlecht bezahlte Arbeit der Eltern Kinder auf die Plantagen und in die Fabriken, um die Familie über Wasser halten zu können. Ohne diese Arbeit könnten viele Familien schlichtweg nicht überleben. Der Besuch der Schule rückt dadurch in den Hintergrund und wird vernachlässigt. Es bildet sich ein Teufelskreis, der die Kinder durch die mangelnde schulische Ausbildung später ebenfalls in die unterbezahlten Arbeitsbereiche lotst, in denen bereits ihre Eltern tätig waren und aus denen sie kaum eine Chance haben auszubrechen. Der Mangel an sozialen Sicherheitssystemen begünstigt diese Umstände, sodass eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass auch Ihre Kinder diesen Kreislauf später fortsetzen werden.  

Natürlich gibt es aber auch noch andere Ursachen für Kinderarbeit. Diese betreffen zum Beispiel Diskriminierung, beispielsweiser indigener Volksgruppen, denen die Kinder angehören. Denn diese werden in manchen Ländern leider immer noch ungleich gegenüber der Mehrheit behandelt und landen so in den untersten sozialen Schichten. Migration ist ebenfalls ein Grund: viele Kinder kommen teils auch illegal in andere Länder, wo sie dann mangels sozialer Einrichtungen oder Ähnlichem, Geld zum Überleben verdienen müssen. Politische Gegebenheiten sind also auch Ursachen für Kinderarbeit. Das betrifft auch das Bildungssystem, die humanitäre Situation oder die Regierungsform des jeweiligen Landes. 

Das EU-Lieferkettengesetz 

Die Bekämpfung von Kinderarbeit ist aber nicht einzig und allein Aufgabe der betroffenen Länder – nicht zuletzt durch die Globalisierung sind die Industriestaaten, wie wir in Deutschland, mitverantwortlich an der weltweiten Kinderarbeit. Daher haben auch wir eine Pflicht, weltpolitisch gegen Kinderarbeit vorzugehen. Ein guter Schritt in die richtige Richtung ist das EU-Lieferkettengesetz. Nachdem 2023 bereits das deutsche LKG1 in Kraft getreten ist, zeigte auch die Europäische Union Anfang 2024 Interesse an einem Lieferkettengesetz.  

Dies sollte für Sorgfalt und Transparenz in der Lieferkette, also dem gesamten Entstehungsweg eines Produktes, von großen Unternehmen sorgen und so dabei helfen, unter Anderem Kinderarbeit zu minimieren. Nachdem sich die Mitgliedsstaaten bereits im Dezember 2023 mündlich auf einen Gesetzesentwurf geeinigt hatten, machte die ehemalige Regierungspartei FDP im Februar 2024 einen Rückzieher. Begründet wurde dies mit der Notwendigkeit, Arbeitgeber und Wirtschaft zu stärken. Dieser Schritt führte dazu, dass Deutschland den Gesetzesentwurf, nicht mehr unterstützte – mit weitreichenden Folgen: Auch Italien und daraufhin zahlreiche kleinere Länder nahmen Abstand von der Idee eines EU-Lieferkettengesetzes, sodass das Gesetz die Mehrheit von 15 Staaten mit einem Bevölkerungsanteil von 65% verfehlte und scheiterte. 

Der Kompromissvorschlag 

Der Gesetzesentwurf wurde daraufhin überarbeitet und angepasst, sodass ein Kompromiss zustande kam, der unter Anderem Italien überzeugte und so auch ohne Deutschland eine Mehrheit gefunden werden konnte. Diese Anpassung schwächte das Gesetz ab., beispielsweise gilt das Gesetz nun erst für Unternehmen ab 1000 statt 500 Mitarbeitenden und einem jährlichen Umsatz von 450 statt 150 Millionen Euro. Dennoch ist ein EU-weites Gesetz, welches große Unternehmen zur Sorgfalt in ihrer Lieferkette verpflichtet trotz der notgedrungen Abstriche viel wert. Dass das Gesetz es trotz des starken Gegenwinds durch das EU-Parlament geschafft hat, ist ein großer Erfolg und ein Fortschritt, mit dem selbst Expert*innen nicht gerechnet haben. 

Carolina Hanke